Forschungsprioritäten gemeinsam mit Parkinson-Patienten und Gesundheitsdienstleistern festlegen

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Forscher aus Luxemburg, Deutschland und Großbritannien haben sich im Rahmen des Horizon 2020-Projekts CENTRE-PD zusammengeschlossen, um herauszufinden, welche Fragen Wissenschaftler angehen sollten, die für Menschen mit Parkinson aber auch für Gesundheitsdienstleister höchste Priorität haben. Zusätzlich zu den 27 bereits vorhandenen Forschungsfragen, die zu bewerten waren, konnten die Teilnehmenden auch eigene Vorschläge machen und so ihre Bedürfnisse formulieren. Durch die Umfrage gewannen die Forscher Einblicke in die unterschiedlichen Prioritäten von Betroffenen und Gesundheitsdienstleistern, sowie in die Auswirkungen sozioökonomischer Unterschiede auf die Prioritätensetzung.

Eine Partnerschaft bilden, um Patienten der Forschung näher zu bringen

Um Patienten, Gesundheitsdienstleiser und klinisches Personal einander näher zu bringen und Forschung bedeutungsvoller für Patienten zu machen, werden zwischen diesen Gruppen so genannte Priority Setting Partnerships (PSP, Prioritäten-setzende Partnerschaften) gebildet. Diese Partnerschaften sammeln unklare Themengebiete, Forschungslücken, die sie in Forschungsfragen umwandeln, welche Sie in einer ersten Umfrage nach Priorität sortieren. So entsteht eine Liste von 10 bis 30 Fragen der engeren Wahl, auf deren Grundlage die endgültigen Prioritäten festgelegt werden. Vor einigen Jahren wurde dieses Konzept von der Patientenvereinigung Parkinson's UK für die Parkinson-Krankheit initiiert. Basierend auf den Ergebnissen zielt das CENTRE-PD-Projekt nun darauf ab, die Prioritätensetzung eingehender zu untersuchen, indem nicht nur Menschen mit Parkinson, sondern auch deren Familienangehörige und Freunde sowie Gesundheitsdienstleister einbezogen werden. "Dank dem gemeinsamen Einsatz waren wir in der Lage, die Forschungsprioritäten in einem internationalen Rahmen mit fast 900 Teilnehmenden aus drei europäischen Ländern zu untersuchen. Dies ermöglichte uns auch geografische Vergleiche", sagt Prof. Krüger, Koordinator des National Centre for Excellence in Research on Parkinson's Disease (NCER-PD) und Leiter der Studie in Luxemburg.

Physiotherapie und medikamentöse Behandlungen unter den ermittelten Prioritäten

Die 26 wichtigsten Forschungsfragen, die von Parkinson's UK identifiziert wurden, sowie eine Forschungsfrage zu Sprachschwierigkeiten bildeten die 27 bereits vorhandenen Fragen der CENTRE-PD-Umfrage. Darüber hinaus analysierten die Forscher die Freitextvorschläge der Studienteilnehmenden thematisch, indem sie sie jeweils mit maximal vier Themen (z. B. "Darmmikrobiota") in Verbindung brachten und dann die zehn am häufigsten wiederkehrenden Themen in Forschungsfragen umwandelten.

In Luxemburg wurde die Umfrage an mehr als 1600 Teilnehmende der Luxemburger Parkinson Studie verschickt. Menschen mit Parkinson wurden aufgefordert, die Umfrage an Freunde und Verwandte weiterzuleiten. Außerdem wurden etwa 700 Gesundheitsdienstleister aufgefordert, die Online-Version auszufüllen. In Luxemburg war die Beteiligung von Gesundheitsdienstleistern und von Familienmitgliedern bzw. Freunden am höchsten im Vergleich zu den anderen Ländern.

Die Ergebnisse zeigen, dass zwei Forschungsfragen in allen drei Ländern unter den Top-Prioritäten waren: die Verbesserung der Muskelkraft und des Gleichgewichts (mittels Physiotherapie) und an die verschiedenen Krankheitsstadien angepasste medikamentöse Behandlungen. Die große Mehrheit der 10 wichtigsten Prioritäten (70-80 %) war in allen drei Ländern gleich, auch wenn die Rangfolge darin leicht variierte. So wählte Luxemburg die Frage "Welche Behandlungen sind hilfreich, um Gleichgewichtsstörungen und Stürze zu verringern?" als oberste Priorität, während die Teilnehmenden in Deutschland und im Vereinigten Königreich wünschten, dass sich die Forschung mehr auf die Physiotherapie konzentrieren sollte.

Sozioökonomische Faktoren und Vorschläge der Teilnehmenden

Die Prioritäten der Studienteilnehmenden änderten sich auch leicht in Abhängigkeit von sozioökonomischen Faktoren. Um die Frage zu beantworten, ob sozioökonomische Faktoren die Prioritäten von Menschen mit Parkinson beeinflussen, untersuchten die Forscher Faktoren wie Bildungsniveau, wirtschaftlicher Status und Lebensumstände. Bei den weniger gebildeten Studienteilnehmenden wurden die Themen Stress- und Angstabbau, Behandlung von Dyskinesien (unwillkürliche Bewegungen, die eine Nebenwirkung einiger Medikamente sind) und die Überwachung des Behandlungserfolges behandelt. "Depressionen und Ängste sind bei Personen mit niedrigerem Bildungsniveau im Allgemeinen stärker ausgeprägt, was erklären könnte, warum dieses Thema für die Studiengruppe mit niedrigerem Bildungsniveau von größerer Bedeutung ist." sagt Anne-Marie Hanff, Doktorandin und Hauptautorin der Studie in Luxemburg „Darüber hinaus bezog sich ein häufig wiederkehrendes Thema der Freitextvorschläge ebenfalls auf Depressionen/Stimmungstiefs bei Parkinson, was die Wichtigkeit dieses Themas zeigt.“

Eine weitere als sehr wichtig erachtete Frage aus den Freitextvorschlägen ist "Wie kann Parkinson früher erkannt werden?". Diese Frage steht bereits im Mittelpunkt der Forschung in Luxemburg: Die neue „Gesund Altern“ Studie (www.heba.lu), die vor kurzem im Land und in der Großregion angelaufen ist, soll die Methoden zur Früherkennung von neurodegenerativen Störungen untersuchen. Derzeit läuft eine Online-Umfrage, die noch offen für neue Teilnehmende ist.

Gesundheitsdienstleister priorisieren andere Fragen als Menschen mit Parkinson

Die CENTRE-PD Studie ergab des Weiteren, dass die Prioritäten zwischen Patienten und Gesundheitsdienstleistern unterschiedlich sind. Letztere nannten Fragen zu Gleichgewichtsproblemen und Stürzen sowie zur Verringerung des Tremors als die beiden wichtigsten Prioritäten und zählten auch das ‚freezing of gate‘ (Einfrieren des Gangs) und Schluckbeschwerden zu den zehn wichtigsten Fragen. Alle diese Symptome wirken sich auf die Sicherheit des Patienten aus, was erklären könnte, warum die Gesundheitsdienstleister ihnen die größte Bedeutung beimessen. Die deutlichen Unterschiede in der Prioritätensetzung von Menschen mit Parkinson und Gesundheitsdienstleistern zeigen, wie wichtig es ist, die Patienten in die Partnerschaften zur Festlegung von Prioritäten und in die Entwicklung von Forschungsprojekten und Strategien einzubeziehen.

"Je enger die klinischen Forscher mit den Patienten zusammenarbeiten, desto mehr Einfluss werden die Forschungsergebnisse haben. Im Idealfall können die Patienten den Forschern direktes Feedback geben, so dass die Forschung in einer kontinuierlichen Schleife vom Labor zum Krankenbett umgesetzt wird", sagt Anne-Marie Hanff. "Es ist wichtig, die größten Schwierigkeiten der Patienten zu erfahren, um gezielte Forschung zur Verbesserung des Lebens der Patienten zu betreiben." Um eine der obersten Prioritäten (Physiotherapie) anzugehen, sind die Physiotherapeuten des ParkinsonNet-Netzwerks speziell für die Behandlung von Menschen mit Parkinson ausgebildet.

Referenz: Francesca Bowring et al. (2022). Exploration of whether socioeconomic factors affect the results of priority setting partnerships: updating the top 10 research priorities for the management of Parkinson’s in an international setting. BMJ open, 12(6), e049530. https://doi.org/10.1136%2Fbmjopen-2021-049530