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Erste umfassende statistische Analyse der Daten der Luxemburger Parkinson-Studie

 

Seit 2015 haben mehr als 800 Menschen mit Parkinson oder anderen Formen des Parkinsonismus und über 800 gesunde Kontrollpersonen an der Luxemburger Parkinson-Studie im Rahmen des National Centre of Excellence in Research on Parkinson's Disease (NCER-PD) unter der Leitung von Prof. Dr. Rejko Krüger teilgenommen. Die Teilnehmer unterzogen sich eingehenden neurologischen Untersuchungen und neuropsychologischen Tests und spendeten mehrere Körperflüssigkeiten für weitere molekulare und genetische Analysen. Während die Parkinson-Patienten zu jährlichen Nachuntersuchungen eingeladen wurden, um einen detaillierten Einblick in den Krankheitsverlauf zu erhalten, wurden die gesunden Kontrollpersonen alle vier Jahre untersucht. Mehr als 20 Forscher des Luxembourg Institute of Health, des Luxembourg Centre for Systems Biomedicine der Universität Luxemburg und des Centre Hospitalier de Luxembourg haben an der ersten umfassenden Analyse der Daten mitgewirkt, die kürzlich in der frei zugänglichen Fachzeitschrift Frontiers in Neurology veröffentlicht wurde.

Heute sprechen wir mit Dr. med. Lukas Pavelka, klinischer Wissenschaftler und Neurologe in Ausbildung, der einer der Erstautoren dieser Studie ist:

Dr. Pavelka, was sind die Ziele der Luxemburger Parkinson-Studie?

Die Parkinson-Krankheit ist die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung, und es wird erwartet, dass die Zahl der Patienten in den kommenden Jahren drastisch ansteigen wird. Ein großes Problem bei der Parkinson-Krankheit ist, dass sie in der Regel erst diagnostiziert wird, wenn die Krankheit bereits weit fortgeschritten ist und sich motorische Symptome zeigen. Das übergeordnete Ziel dieser Langzeitstudie bestand daher darin, die Krankheit besser zu verstehen und somit die Entwicklung neuer Methoden zur Frühdiagnose und Behandlung zu ermöglichen. Darüber hinaus ist das Spektrum der Symptome bei Menschen mit Parkinson sehr variabel, und es bedarf weiterer Forschung, um zu untersuchen, ob es mehrere Subtypen der Parkinson-Krankheit gibt und was sich hinter diesen wichtigen Unterschieden verbirgt.

Können Sie uns erklären, was eine umfassende statistische Basisanalyse ist und warum sie wichtig ist?

Der Kern dieses klinischen Forschungsprojekts besteht darin, die Ergebnisse der Daten des ersten Besuchs aller Menschen mit Parkinson und gesunder Freiwilliger zu vergleichen, die wir in der Parkinson-Forschungsklinik zwischen 2015 und 2021 gesammelt haben. Unterschiede zwischen Patienten mit verschiedenen Formen von Parkinsonismus (wie der Parkinson-Krankheit und progressive supranukleäre Lähmung, einer atypische Form des Parkinsonismus) und gesunden Kontrollpersonen können wichtige Informationen liefern, die zur Entdeckung von typischen Krankheitsmustern führen können. In der Zukunft können diese Erkenntnisse dann zur Entwicklung neuer diagnostischer Tests oder therapeutischer Ansätze führen, die die derzeitige Behandlung oder Diagnose der neurodegenerativen Erkrankungen verbessern können.

In unserer Basisanalyse haben wir viele unterschiedliche epidemiologische und klinische Merkmale zwischen den untersuchten Gruppen angeschaut. Wir analysierten die Profile von 1648 Personen, die in den Basisdatensatz der Luxemburger Parkinson-Studie aufgenommen wurden, was sie zu einer der größten Studien ihrer Art macht. Die Basisanalyse kann somit als eine erste und umfassende Beschreibung von Menschen mit Parkinson in Luxemburg angesehen werden, die die Unterschiede zwischen den Gruppen auf verschiedenen Ebenen aufzeigt.

Was sind die wichtigsten Ergebnisse Ihrer statistischen Analyse?

Bei der Untersuchung der Unterschiede zwischen den drei größten Personengruppen in unserer Kohorte, nämlich Parkinson-Patienten, Patienten mit progressiver supranukleärer Lähmung (PSP) und gesunden Kontrollpersonen, stellten wir eine unerwartet hohe Häufigkeit von Geruchsverlust (Hyposmie) bei Patienten mit progressiver supranukleärer Lähmung (PSP) fest. Bisher war man davon ausgegangen, dass Hyposmie sehr spezifisch für die Parkinson-Krankheit ist, aber nicht typisch für Menschen mit atypischen Formen von Parkinson, insbesondere PSP. Unsere Studie, in der eine größere Anzahl von PSP-Patienten untersucht wurde als in vielen früheren Studien, stellt diese gängige Ansicht das Menschen mit PSP gut riechen können in Frage.

Darüber hinaus haben wir auch Umweltfaktoren im Zusammenhang mit der Parkinson-Krankheit untersucht. So haben wir beispielsweise festgestellt, dass in Luxemburg Menschen mit Parkinson häufiger beruflich mit Pestiziden gearbeitet haben als gesunde Kontrollpersonen. Außerdem haben wir festgestellt, dass die Alkoholabstinenz bei Menschen mit Parkinson signifikant höher ist als bei den Kontrollpersonen. Eine Erklärung für dieses Ergebnis könnte die Tatsache sein, dass Dopamin bekanntermaßen eine entscheidende Rolle beim Suchtverhalten spielt. Daher könnte die Verringerung des Dopaminspiegels aufgrund der Neurodegeneration der Dopamin-produzierenden Zellen bei Parkinson für ein geringeres Risiko für Suchtverhalten verantwortlich sein, was in diesem Fall zur Alkoholabstinenz führt. Um den Zusammenhang zwischen diesen Umweltfaktoren und der Parkinson-Krankheit besser zu verstehen, ist jedoch weitere Forschung erforderlich. Wir hoffen, durch weitere Analysen der Luxemburger Parkinson-Studie zu diesem Wissenszuwachs beitragen zu können.

Was ist für die Zukunft geplant?

Unsere Basisanalyse ist erst der Anfang. Wir sind dabei, viele verschiedene Aspekte dieser klinisch und biologisch charakterisierten Kohorte im Detail zu analysieren, so dass wir bald weitere Erkenntnisse und Entdeckungen erwarten, die die Erforschung der Neurodegeneration voranbringen werden.

Die Basisanalyse ist zudem auch eine wichtige Informationsquelle für die internationale Parkinson-Forschungsgemeinschaft, da sie es anderen Forschern ermöglicht, an der in Luxemburg verfügbaren Datenfülle teilzuhaben und die Ergebnisse der unabhängigen Kohorten zu validieren. Schließlich ist der Kampf gegen die Parkinson-Krankheit ein globaler Kampf, und wir arbeiten regelmäßig mit Forschern und Klinikern aus dem Ausland zusammen, indem wir Daten oder Proben zusammenlegen, um bestimmte Aspekte in mehreren Kohorten gemeinsam zu analysieren. Auf diese Weise haben wir eine noch größere Zahl von Teilnehmern, was es uns ermöglicht, kleine Details mit größerer Genauigkeit zu untersuchen, oder wie wir es nennen: mit statistischer Power. Dieses Prinzip haben wir zum Beispiel in unserer kürzlich in Frontiers in Ageing Neuroscience veröffentlichten Studie angewandt. Zusammen mit Partnern aus Norwegen, Griechenland, Südkorea und den USA analysierten wir das Fortschreiten der Parkinson-Symptome im Laufe der Zeit und konnten drei verschiedene Arten des Krankheitsverlaufs (langsam, mäßig schnell und schnell fortschreitend) und die entsprechenden Krankheitsmerkmale dieser drei Gruppen unterscheiden.

Dass Luxemburg zu solchen internationalen Studien wie dieser eingeladen wird zeigt, dass die Luxemburger Parkinson-Studie das Großherzogtum auf die internationale Landkarte gebracht hat, was ohne den wertvollen Beitrag unserer Teilnehmer nicht möglich gewesen wäre. Wir können ihnen nicht genug dafür danken, dass sie uns helfen, die Krankheit besser zu verstehen.

 

Reference: Pavelka L, Rawal R, Ghosh S, Pauly C, Pauly L, Hanff A-M, Kolber PL, Jónsdóttir SR, Mcintyre D, Azaiz K, Thiry E, Vilasboas L, Soboleva E, Giraitis M, Tsurkalenko O, Sapienza S, Diederich N, Klucken J, Glaab E, Aguayo GA, Jubal ER, Perquin M, Vaillant M, May P, Gantenbein M, Satagopam VP and Krüger R (2023) Luxembourg Parkinson’s study -comprehensive baseline analysis of Parkinson’s disease and atypical parkinsonism. Front. Neurol. 14:1330321. doi: 10.3389/fneur.2023.1330321

Réseau de compétences maladies neuro-dégénératives: Bessere Patientenversorgung bei neurodegenerativen Erkrankungen

Luxemburg vernetzt landesweit seine Kompetenzen für die optimale Versorgung von Menschen mit neurodegenerativen Erkrankungen. In Anwesenheit der luxemburgischen Gesundheitsministerin Paulette Lenert und des Ministers für Hochschulwesen und Forschung Claude Meisch ist heute das Réseau de compétences maladies neurodégénératives (RdC-MN) „ParkinsonNet Luxembourg“ gegründet worden, das auf dem erfolgreichen Pilotprojekt der letzten 6 Jahre und den wissenschaftlichen Erkenntnissen des National Centre of Excellence in Research on Parkinson’s Disease (NCER-PD) beruht.

Angesichts einer alternden Bevölkerung und eines starken Anstiegs der Fälle neurodegenerativer Erkrankungen, ist eine gemeinsame Anstrengung des Gesundheitssystems und der wissenschaftlichen Forschung notwendig. “Mit dem RdC-MN stellen wir sicher, dass Patienten stets optimal und nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen behandelt werden”, sagte Paulette Lenert bei der feierlichen Eröffnung des neuen Kompetenznetzwerkes. „Im Rahmen des „ParkinsonNet“ werden Menschen mit der Parkinson-Krankheit sowie atypischen Parkinson-Syndromen behandelt. In Zukunft soll das Konzept schrittweise auch auf weitere neurodegenerative Erkrankungen ausgeweitet werden.“

Neurodegenerative Erkrankungen sind hochkomplex, so dass beispielsweise bei der Parkinson-Krankheit schon heute verschiedene Untergruppen betroffener Menschen unterschieden werden. Auslöser können verschiedene Ursachen sein - von Umwelteinflüssen über den Lebensstil bis zur genetischen Veranlagung. Zudem erlebt jeder Patient einen anderen Verlauf der Krankheit. “Wegen dieser Komplexität brauchen Menschen mit neurodegenerativen Erkrankungen individuell abgestimmte Therapien”, erklärt der Neurologe Prof. Rejko Krüger, Medizinischer Koordinator des RdC-MN am CHL, Professor für translationale Neurowissenschaften an der Universität Luxemburg und Direktor für transversale translationale Medizin am Luxembourg Institute of Health. Er ist einer der Initiatoren von “ParkinsonNet Luxembourg”, für das ein seit vielen Jahren in den Niederlanden erfolgreiches Konzept von Prof. Bas Bloem und Dr. Marten Munneke von der Radboud University Medical Centre Nijmegen auf Luxemburg zugeschnitten wurde. “Für die wirksame Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen müssen unterschiedliche Akteure aus dem Gesundheitssektor Hand in Hand zusammenarbeiten und immer die neuesten Erkenntnisse aus der Wissenschaft integrieren. Dass dies nicht nur die Versorgung von Menschen mit neurodegenerativen Erkrankungen verbessert, sondern auch die Zufriedenheit von Gesundheitsberuflern bei der täglichen Arbeit steigert, haben wir gemeinsam im ParkinsonNet gelernt.”

So kommunizieren im “ParkinsonNet” Ärzte und Therapeuten eng miteinander und sind direkt mit der Wissenschaft vernetzt. Unter Neurologen, Pflegekräften, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Orthophonisten, die sich mit der Behandlung von Parkinson-Patienten befassen, findet seitdem ein systematischer Austausch über die besten Möglichkeiten zur Versorgung der Patienten statt. In naher Zukunft soll das Netzwerk auf weitere Akteure wie Ernährungsberater, Psychologen und Sozialarbeiter ausgedehnt werden. Die Teammitglieder erstellen entsprechend der Bedürfnisse der Menschen individuelle Behandlungspläne, haben deren persönliches Umfeld im Blick und bilden sich regelmäßig fort. “Dies ermöglicht eine optimale Versorgung der Menschen sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich”, hob Dr. Romain Nati auf der Veranstaltung hervor. Dr. Nati ist Generaldirektor des Centre Hospitalier de Luxembourg (CHL), welches das Réseau de compétences maladies neurodégénératives federführend koordiniert. “Wir sind überzeugt, dass die wichtigen Übergänge zwischen häuslicher Versorgung und der Versorgung in den Krankenhäusern durch den verbesserten Austausch von Informationen und die engere Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Welten im RdC-MN barrierefrei werden,” so Nati weiter.

„Luxemburg ist durch seine eHealth Strategie bestens aufgestellt, um die Vernetzung verschiedener Partner im Gesundheitssystem zu gewährleisten. Mit dem neuen RdC-MN wird nun die digitale Unterstützung des Versorgungsmanagements erstmals in die alltägliche Versorgung von Menschen mit Parkinson umgesetzt,“ erklärt Dr. Jean-Claude Schmit, Direktor der Gesundheitsbehörde. Hier entwickelt ParkinsonNet gemeinsam mit Prof. Jochen Klucken, FNR PEARL Chair für Digitale Medizin, neue Lösungen für die Digitalisierung des Netzwerkes.

Auf die Rolle der Wissenschaft ging der Minister für Hochschulwesen und Forschung, Claude Meisch, ein: “Die neurowissenschaftliche Forschung macht gerade in Luxemburg stetig Fortschritte. Wir haben uns auf diesem Gebiet international etabliert und arbeiten auf Augenhöhe mit international führenden Forschungseinrichtungen zusammen, insbesondere über das National Centre of Excellence in Research on Parkinson‘s Disease (NCER-PD). Dessen Erfolg unterstreicht eindrucksvoll, was ein solches missionsorientiertess und auf Exzellenz ausgerichtetes Forschungsprogramm als Ergänzung zur ‚klassischen‘ Forschung leisten kann. Das von den Forschern gewonnene Wissen kann über das RdC-MN schnell in die Gesundheitsversorgung in Luxemburg einfließen und direkt das tägliche Leben der Menschen mit der Erkrankung verbessern.“

Der Luxembourg National Research Fund (FNR) legte den Grundstein für das neue Netzwerk, als er vor acht Jahren NCER-PD als erstes National Centre of Excellence in Research gründete. “Dank einer groß angelegten Kohortenstudie, an der viele Menschen mit und ohne Parkinson aus Luxemburg und der Großregion mitgewirkt haben, wissen wir heute viel mehr über diese Krankheit”, sagte FNR-Generalsekretär Marc Schiltz: “So konnten die Forscher in Luxemburg in den letzten Jahren neue Erkenntnisse gewinnen, um die unterschiedlichen Formen der Parkinson-Krankheit viel besser zu unterscheiden, genauer zu diagnostizieren und damit Strategien zur personalisierten Medizin umzusetzen.” Diese Einschätzung teilt auch Rejko Krüger, der das jetzt in eine neue Phase tretende Exzellenz-Zentrum NCER-PD seit 2019 geleitet hat: “Aus unserer Sicht ist NCER-PD eine Erfolgsstory. Ich bin mir sicher, dass wir mit unserem Projekt gemeinsam mit Betroffenen und deren Familien eine starke Allianz für Forschung und Versorgung in Luxemburg aufgebaut haben, die in Zukunft auch Menschen mit anderen Krankheiten zugutekommen wird.”

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Partner im RdC-MN:

  • Centre Hospitalier de Luxembourg
  • Hôpitaux Robert Schumann
  • Centre Hospitalier Emile Mayrisch
  • Centre Hospitalier du Nord
  • Université du Luxembourg
  • Luxembourg Institute of Health
  • Société Luxembourgeoise de Neurologie
  • Ministère de la Santé / Direction de la Santé
  • ParkinsonNet International
  • Parkinson Luxembourg asbl
  • Mitglieder ParkinsonNet Luxembourg [Derzeit sind 71 Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Orthophonisten und Neurologen als Mitglieder ParkinsonNet Luxembourg angeschlossen, die bereits Weiterbildungen zur Parkinson-Krankheit absolviert haben.]

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